Der Geiger zu Gmünd

In der Franziskanergasse gegenüber der Franziskuskirche wurde im Juni 2007 in Schwäbisch Gmünd ein Gemälde von Hans Kloss eingeweiht. Es zeigt die Legende des Geigers von Gmünd nach einer Ballade von Justinus Kerner.

Die Ballade erzählt die Geschichte eines armen Geigers. Dieser kam nach Schwäbisch Gmünd und spielte in einer fiktiven Kapelle der heiligen Cäcilia. Von seiner Musik bewegt schenkte sie ihm ihren goldenen Schuh. Der Geiger wurde daraufhin des Kirchenraubs angeklagt. Um seine Unschuld zu beweisen, schenkte die Heilige ihm auch den zweiten Schuh.

Gezeichneter Entwurf und endgültige Version.

Stadtchronist Dominikus Debler (1756-1836) nannte die Ballade eine "glatte Lüge", schrieb aber zugleich, dass es nirgendwo mehr Bettler gegeben hätte als in Gmünd. Denn viele "Geiger", Musiker und Gaukler kamen damals, um ihr Glück zu finden.

Ein Gmünder wollte diese Geschichte wieder aufleben lassen. Maler Hans Kloss realisierte die Idee. Anstelle der Pinnwand gegenüber der Franziskanerkirche zeigt jetzt das Gemälde den armen Musikanten, der in Mitten eines lebhaften Gmünds den goldenen Schuh bekommt.

Zur feierlichen Enthüllung spielten Schauspieler auf dem Dach des Hauses, ein Gmünder Geiger spielte dazu.

Der Geiger zu Gmünd.

Eine Legende. Von Justinus Kerner.

Einst ein Kirchlein sonder gleichen,
Noch ein Stein von ihm steht da,
Baute Gmünd der sangesreichen
Heiligen Cäcilia.

Lilien von Silber glänzten
Ob der Heil'gen mondenklar,
Hell wie Morgenrot bekränzten
Goldne Rosen den Altar.

Schuh', aus reinem Gold geschlagen,
Und von Silber hell ein Kleid
Hat die Heilige getragen:
Denn da war's noch gute Zeit,

Zeit, wo überm fernen Meere,
Nicht nur in der Heimat Land,
Man der Gmünd'schen Künstler Ehre
Hell in Gold und Silber fand.

Und der fremden Pilger wallten
Zu Cäcilias Kirchlein viel;
Ungeseh'n woher, erschallen
Drin Gesang und Orgelspiel.

Einst ein Geiger kam gegangen,
Ach! den drückte große Not,
Matte Beine, bleiche Wangen,
Und im Sack kein Geld, kein Brot!

Vor dem Bild hat er gesungen
Und gespielet all sein Leid,
Hat der Heil'gen Herz durchdrungen:
Horch! melodisch rauscht ihr Kleid!

Lächelnd bückt das Bild sich nieder
Aus der lebenlosen Ruh,
Wirft dem armen Sohn der Lieder
Hin den rechten goldnen Schuh.

Nach des nächsten Goldschmieds Hause
Eilt er, ganz vom Glück berauscht,
Singt und träumt vom besten Schmause,
Wenn der Schuh um Geld vertauscht.

Aber kaum den Schuh ersehen,
Führt der Goldschmied rauhen Ton,
Und zum Richter wird mit Schmähen
Wild geschleppt des Liedes Sohn.

Bald ist der Proceß geschlichtet,
Allen ist es offenbar,
Daß das Wunder nur erdichtet,
Er der frechste Räuber war.

Weh! du armer Sohn der Lieder
Sangest wohl den letzten Sang!
An dem Galgen auf und nieder
Sollst, ein Vogel, fliegen bang.

Hell ein Glöcklein hört man schallen,
Und man sieht den schwarzen Zug
Mit dir zu der Stätte wallen,
Wo beginnen soll dein Flug.

Bußgesänge hört man singen
Nonnen und der Mönche Chor,
Aber hell auch hört man dringen
Geigentöne draus hervor.

Seine Geige mitzuführen,
War des Geigers letzte Bitt':
"Wo so viele musiciren,
Musicir' ich Geiger mit!"

An Cäcilias Kapelle
Jetzt der Zug vorüberkam,
Nach des offnen Kirchleins Schwelle
Geigt er recht in tiefem Gram.

Und wer kurz ihn noch gehasset,
Seufzt: "Das arme Geigerlein!"
"Eins noch bitt ich - singt er - lasset
Mich zur Heil'gen noch hinein!"

Man gewährt ihm; - vor dem Bilde
Geigt er abermals sein Leid
Und er rührt die Himmlischmilde,
Horch! melodisch rauscht ihr Kleid!

Lächelnd bückt das Bild sich nieder
Aus der lebenlosen Ruh',
Wirft dem armen Sohn der Lieder
Hin den zweyten goldnen Schuh.

Voll Erstaunen steht die Menge,
Und es sieht nun jeder Christ,
Wie der Mann der Volksgesänge
Selbst den Heil'gen theuer ist.

Schön geschmückt mit Bändern, Kränzen,
Wohl gestärkt mit Geld und Wein,
Führen sie zu Sang und Tänzen
In das Rathaus ihn hinein.

Alle Unbill wird vergessen,
Schön zum Fest erhellt das Haus,
Und der Geiger ist gesessen
Obenan beym lust'gen Schmaus.

Aber als sie voll vom Weine,
Nimmt er seine Schuh zur Hand,
Wandert so im Mondenscheine
Lustig in ein andres Land.

Seitdem wird zu Gmünd empfangen
Liebreich jedes Geigerlein,
Kommt es noch so arm gegangen -
Und es muß getanzet seyn.

Drum auch hört man geigen, singen,
Tanzen dort ohn' Unterlaß,
Und wem alle Saiten springen,
Klingt noch mit dem leeren Glas.

Und wenn bald ringsum verhallen
Becherklingeln, Tanz und Sang,
Wird zu Gmünd noch immer schallen
Selbst aus Trümmern lust'ger Klang.

Justinus Kerner (* 18. September 1786 in Ludwigsburg; † 21. Februar 1862 in Weinsberg) war ein schwäbischer Arzt und Dichter.

Seit 1815 Oberamtsarzt in Gaildorf, entdeckte Kerner in der Andreaskapelle in Schlechtbach bei Gschwend eine Darstellung der Hl. Kümmernis mit beigeschriebener Legende.

Als ihn Ludwig Uhland im September 1816 in Gaildorf besuchte, konzipierten die beiden bei einem Spaziergang die Legende des Geigers zu Gmünd. Wegen dem in der Kümmernislegende auftretenden Goldschmied verlegten sie die Handlung in die Gold- und Silberstadt Gmünd in eine fiktive Kapelle der heiligen Cäcilia, der Patronin der Musik.

Erst auf mehrmaliges Mahnen Uhlands vollendete Kerner die Ballade, die am 9. Dezember 1816 in Cottas "Morgenblatt für gebildete Stände" in Stuttgart erschien.

Geiger-Denkmale in Schwäbisch Gmünd

Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist der Geiger eine Symbolfigur der Stadt Schwäbisch Gmünd. Als die 1626 erbaute Herrgottsruhkapelle, die sich in der Nähe der östlichen Einfahrt in den Einhorntunnel befindet, in den 1890-er Jahren saniert wurde, brachte man an der Westfassade eine Skulptur mit dem Geiger zu Gmünd an. Im Stadtgarten erinnert der im Jahre 1906 von Wilhelm Widemann geschaffene Geigerbrunnen an das Gedicht.

Details des Gemäldes

Website von Hans Kloss